Hemmakänsla!?

Wieder sind zwei Wochen seit meinem letzten inlägg an dieser Stelle vergangen, und wieder ist einiges passiert…  unter anderem hatten meine Eltern ihren Herbsturlaub in diesem Jahr als Schwedentour gestaltet und mir dabei lieberweise einen Besuch über meinen Geburtstag abgestattet. Den Abend selbst habe ich mich gewissermaßen bei einer Freundin in einem Studentenwohnheim hier eingeladen und ihn dort mit einigen internationalen Freunden verbracht:

Sogar mit Deko 🙂

Der Titel bedeutet diesmal übersetzt „Heimatgefühle“ – das meine ich allerdings nicht im Sinne von Heimweh, sondern vielmehr der Frage: Wie weit entfernt sind Schweden oder Stockholm eigentlich von Deutschland? Zunächst lässt sich diese Frage ganz einfach beantworten: Bis nach Göttingen sind es knapp über 1000 km Luftlinie von hier aus, mit dem Auto noch einmal 200 km mehr. Das ist zunächst nicht besonders viel, vor allem, wenn ich das mit anderen Kommilitonen vergleiche, die ein Auslandssemester in Spanien, der Türkei oder sogar China verbringen (liebe Grüße an dieser Stelle an alle dort und auch die anderen, die eher in meinen Radius fallen ;-)). Ebenso verhält es sich wahrscheinlich auch mit vielen kulturellen Gegebenheiten, die hier in Mittel- bzw. Nordeuropa doch mehr oder minder ähnlich sind. Der Teufel steckt allerdings im Detail, behaupte ich hier: Gerade, wenn man sich darauf eingestellt hat, dass alles ganz ähnlich wie in der Heimat verläuft, wird man eines Besseren belehrt 🙂

Ich fange einfach mal bei einem Gang durch die Stadt an – was kommt mir von zu Hause bekannt vor? Neben den internationalen „Botschaftern“, primär vertreten durch diverse Fastfood-Ketten, fühle ich mich natürlich auch direkt etwas näher an Deutschland, wenn ich einen H&M- oder Ikea-Laden erblicke, keine großen Neuigkeiten also. Etwas überraschender mögen da schon die diversen deutschen Firmen wirken, die sich hier niedergelassen haben: Meine Einkäufe tätige ich oft bei Lidl, das mit den gleichen Hausmarken wirbt wie in Deutschland (das schreibe ich, während neben mir ein Sixpack Lödinger steht, abgefüllt an der Saskiaquelle in Lödingen; bei schwedischen Marken hat man eher das Gefühle, gleichzeitig Anteile an der ganzen Quelle zu erwerben, wie es ein Freund hier recht passend ausgedrückt hat), Mediamarkt ist einer der Big Player in Sachen Elektronik, Schuhe kann man bei Deichmann kaufen und Heimwerkerartikel könnte ich bei Bedarf bei Hornbach oder Bauhaus erwerben. Wonach ich hier hingegen lange suchen kann, sind beispielsweise Drogerien oder Bäckereien, wie ich anfangs sehr zu meinem Leidwesen feststellen musste 😉 Aber wie bereits erwähnt liegen die Unterschiede im Detail: So sucht der Schwede in einem deutschen Lidl vergeblich nach dem Regal mit verschiedenen (runden, eckigen, Vollkorn-, Sportler-, …)Knäckebrotsorten oder dem Elchhackfleisch im Gefrierschrank; vor allem aber wahrscheinlich diese Schubladen hier, die in jedem Supermarkt vorhanden sind:

Typisk svensk: Lösgodis – danke an Dörthe dafür

Was ich hier hingegen vermisse, sind zum einen vernünftiges deutsches nicht-süßes Brot oder Brötchen zu vernünftigen Preisen; die günstigsten Tüten Brot (ohne Tüte gibt es wie erwähnt mangels Bäckereien nichts) gehen bei umgerechnet knapp unter zwei Euro los, und für tyskt bröd, also ebensolches deutsches Brot, gibt es noch einmal einen ordentlichen Aufschlag. Ihr könnt euch mein blödes Gesicht in der Anfangszeit hier vorstellen, als ich recht dunkel aussehendes schwedisches Brot mit einem Krabbensalat als Aufstrich probiert habe, allerdings ohne darauf zu achten, dass der typische schwedische Sirup in den Brotteig gemischt war. Ebenso vergeblich habe ich in der ersten Zeit nach Radler (oder Mischbier allgemein) gesucht: Meiner Ansicht nach war es offensichtlich, dass hier aus der Not, in Supermärkten keinen Alkohol über 3,5% verkaufen zu dürfen, eine Tugend gemacht wird und es vielmehr ein Überangebot an Mischbieren gibt. Dem ist aber nicht so und es gibt einfach entsprechend niedrigprozentiges Bier zu kaufen, immerhin zu humanen Preisen. Letzlich sind diese beiden Feststellungen aber auch nicht sonderlich überraschend, da mir von anderen Austauschstudenten versichert wurde, dass es sich hierbei eher um typisch deutsche Produkte handelt..

Das erste Mal, als ich gleichzeitig stutzen und auch schmunzeln musste, ist mir allerdings auf meiner Zugfahrt hierhin widerfahren: Motiviert von vier Stunden Verspätung und meinen Sitznachbarn im Zug musste ich an der Snackbar zuschlagen und habe mir dort ein Bier geholt: Mariestad, eine durchaus gute Marke, wie ich mittlerweile festgestellt habe, auch wenn mich der Preis schon das Fürchten gelehrt hatte (knapp über 60 Kronen für eine Dose – glücklicherweise nicht der Normalfall). Aber seht selbst:

Dortmundertyp 😉

Ähnlich bemerkenswert und vor allem festhaltenswert fand ich den folgenden Knopf aus einem gewöhnlichen Bus, den ich ein paar Wochen später erblickt habe:

Kein Schwedisch..

Gerade zu dem unteren Bild kann man noch viele weitere Beispiele finden, wenn man beispielsweise das Lidl-Werbeblättchen durchblättert. Diese Woche u.a. im Angebot: Raspelschokolade, frischer Mürbeteig und böhmische Knödel.

Eine weitere Sache, die mir nun schon zum zweiten Mal aufgefallen ist, ist das Verhalten der Schweden in Sachen Fußball: Wie hier schon bei einem Freund beschrieben, verläuft das Ganze überlicherweise in ruhigeren Bahnen. Jetzt am Wochenende war der letzte Spieltag der schwedischen Liga und ich hatte das Glück, kurz vor dem Anstoß des Spiels mit der Tunnelbana in Richtung Stadion zu fahren. „Oh, das wird ja lustig gewesen sein,“, könnte man sich jetzt denken.. war es aber nicht einmal. Alles ganz ruhig, wie immer, ich habe immerhin eine Person mit einem Bier in der Hand gesehen, ansonsten – nichts! Und die Bahn war durchaus voll. Dass etwas Emotionalität durchaus möglich ist, zeigt aber dieses Video vom Qualispiel (am besten zum 4-4 springen), das mich auf alle Fälle mehr an Deutschland ’54 als an die heutige Zeit erinnert 😉

Kleine Schwedisch-Lektion

Alle diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten spiegeln sich auch in der Sprache wieder, wie ich finde: Wenn ich hier einmal schwedische Ausdrücke verwende, werdet ihr sicher an mancher Stelle Ähnlichkeiten mit dem entsprechenden deutschen Wort wiederfinden (darauf hoffe ich zumindest). Dies gilt typischerweise aber nur, wenn man es „gut deutsch“ ausspricht, bei schwedischer Aussprache verschwinden viele Gemeinsamkeiten. Als Beispiel dafür mag hier einmal das grönsakbuljong dienen, also die Gemüsebrühe, einer meiner Favoriten 🙂 Auch die kyrka kann man so geschrieben noch als Kirche erahnen, ausgesprochen wird es allerdings ungefähr „Schürka“. In Richtung Zungenbrecher geht da schon eher die sjuksköterska, also die Krankenschwester (wortwörtlich Krankenpflegerin), die in etwa „Chü(k)chöte(r)schka“ ausgesprochen wird; wer interessiert ist oder Langeweile hat, kann auch hier einmal die Aussprache beliebiger Wörter auf schwedisch probieren oder sich den provtext vorlesen lassen 😉

Ansonsten steht in der nächsten Zeit einiges an: In der nächsten Woche geht es erst einmal von Montag bis Mittwoch mit dem Boot Richtung Riga, bevor mich die folgenden drei Tage mein Cousin Kai besuchen kommt. Zusätzlich hat mich Eddi für das folgende Wochenende zu sich nach Helsinki eingeladen, was ich ihm natürlich auch nicht abschlagen kann 😉 Wenn das wirklich klappt, werde ich wohl versuchen mich auf der Fähre etwas dem Schwedischen zu widmen, da wir dort ein paar Tage später unsere Klausur haben. Außerdem scheint meiner Verlängerung meines Aufenthalts hier um zwei Monate nichts im Wege zu stehen, wie ich jetzt in Erfahrung bringen konnte. Wenn ich das unter Dach und Fach bringen kann, werde ich hier noch ein paar Kurse belegen, erst im März wieder endgültig nach Deutschland zurückkehren und mich zwei weitere Monate an hemmakänsla erfreuen können 🙂

Många hälsningar
Henning

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